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Irland: Connemara – eine "wilde Schönheit"

Rauhe Winde, zerklüftete Küsten, einsame Strände: Oscar Wilde wusste, wovon er sprach, als er Connemara eine "wilde Schönheit" nannte. Ein Roadtrip durch den Westen Irlands – von Galway über Clifden bis nach Westport – führt durch einzigartige Landschaft und auf die Spur einer irischen Tragödie.

"Wenn Dir das Wetter nicht gefällt, warte fünf Minuten." Angeblich stammt dieses Sprichwort ja aus Island und auch Mark Twain soll jenen Satz einst über New England gesagt haben. Mich jedoch lassen diese Worte an Connemara im Westen Irlands denken – an peitschenden Regen und klingenscharfe Hagelkörner, die jeden weiteren Schritt unmöglich erscheinen lassen. An Windböen, die so gewaltig sind, dass selbst das Atmen schwerfällt. Und an die Sonne, die sich nach plötzlich wieder durch das Wolkengrau schiebt, als sei nichts gewesen. Sie lacht. Lacht uns aus. Weil wir da stehen, nass bis auf die Knochen.

Ja, das Wetter in der Küstenregion der grünen Insel kann erbarmungslos sein – vor allem in den Herbst- und Wintermonaten. Es kann so erbarmungslos sein, dass man sich fragt, wie überhaupt ein Lebewesen unter solch widrigen Bedingungen hier dauerhaft leben kann, geschweige denn will. Die Erklärung ist simpel: Diese raue Natur mit ihren grünen Tälern, zerklüfteten Küsten, verlassenen Stränden, wilden Seen und samtig-braunen Bergkuppen ist einzigartig. Einzigartig schön. Und sie zog schon Berühmtheiten wie Oscar Wilde in ihren Bann, der Connemara einst als "wilde Schönheit" bezeichnete.

Galway: Eine der "sexiest cities in the world"

Um diese wilde Schönheit zu entdecken, ist Galway der perfekte Startpunkt. Die drittgrößte Stadt des Landes liegt in einer Bucht direkt am Atlantik. Wer durch die Hafenstadt mit all den schmalen Gassen, bunten Häusern und urigen Pubs schlendert, der versteht, warum Galway einst zu einer der "sexiest cities in the world" gewählt wurde. Es ist die wohltuende Gelassenheit der Bewohner, die diesen Ort noch bezaubernder macht als er ohnehin schon ist.

Dank der Universität hat Galway den Ruf einer typischen Studentenstadt. Was das bedeutet, zeigt sich spätestens am Abend, wenn sich die Bars der Quay Street mit jungen Menschen füllen. Wir hingegen lassen uns in der kleinen Weinbar von "Sheridans Cheesemongers" nieder. Der Sommelier hat seine Empfehlungen des Tages bereits auf dem Thresen drappiert und lässt uns die edlen Tröpfchen testen, bevor wir uns schließlich für den kräftigen Roten entscheiden.

Galway – Clifden: Wie eine Brücke zum Filmstar wurde

Von Galway aus geht es auf die N59 in Richtung Clifden. Moor- und Heidelandschaften im Süden treffen auf die malerische Berglandschaft der Twelve Bens im Norden. Die Seen am Straßenrand werden von rauhen Winden aufgepeitscht. Brücken und Mauern aus Naturstein dekorieren die Landschaft. Sie sind typisch für Irland und eigentlich nichts Besonderes. Dennoch gibt es an der N59 – kurz hinter Oughterard – eine Brücke, die zu echter Berühmtheit gelangt ist. Schuld daran ist John Fords Filmklassiker "The Quiet Man" (1951), in dem eben jenes Bauwerk als Kulisse dient. Seither machen Filmliebhaber und Schnappschussjäger hier immer wieder Halt. Ein weitaus spektakuläreres Motiv findet sich jedoch knapp 35 Kilometer weiter, ebenfalls an der N59 – hier liegt der See Derryclare Laough, inmitten einer verlassenen Torfmoorlandschaft.

Moor- und Heidelandschaften treffen auf samtbraune Bergkuppen, tosende Gewässer und einsame Strände – das ist Connemara

Wer in Clifden ankommt, findet sich in einem Nest wieder, das noch nicht einmal 3000 Einwohner zählt. Dennoch zieht es Menschen aus aller Welt in dieses winzige Örtchen. Das Glück von Clifden liegt auf dem Rücken der Pferde. Um genau zu sein, sind es die berühmten Connemara-Ponys, die dem Städtchen jedes Jahr im August einen internationalen Besucheransturm bescheren. Dann wird Clifden nämlich zum Schauplatz des "Connemara Pony Festivals" – der weltweit größten Schau der Connemara-Ponys.

Weil sich freilich nicht jeder für irische Reitponys begeistern kann, tut die Stadt auch sonst einiges dafür, um vom Tourismus zu profitieren. Besuchern werden Outdoor-Aktivitäten wie Angeln, Segeln, Golf oder Wandern geboten. Auch Events wie das "Traditional Music Festival", das "Clifden Arts Festival" oder der allwöchentliche Bauernmarkt sorgen für Publikum. Dass die Rechnung aufgeht, zeigt sich an den Hotelpreisen in den Sommermonaten. Dann zahlen Gäste schnell mal das Vierfache von dem, was sie im Winter bezahlen würden. Wer wie wir Geld sparen will, reist also am besten außerhalb der Saison – und bucht im Bed & Breakfast "The Lodge" ein Zimmer samt Whirpool-Wanne für schlappe 30 Euro pro Nacht.

Clifden: Die Straße zum Himmel

​​Bevor es weiter in Richtung Westport geht, ist ein Abstecher auf die Sky Road Pflicht. Die rund elf Kilometer lange Küstenstraße beginnt direkt in Clifden und hält, was ihr Name verspricht. Die Aussicht auf die Landschaft Connemaras und den Atlantik ist hier so himmlisch, dass man schon während der Fahrt immerzu gucken und staunen möchte. Wer hinterm Lenkrad sitzt, sollte sich jedoch etwas in Geduld üben. Die Straße ist nämlich so gewunden und schmal, dass man sich zunächst einmal auf die Kurven und den Gegenverkehr konzentrieren sollte. Am Aussichtspunkt angekommen, ist es dann an der Zeit, den Motor abzuschalten und die Ruhe zu genießen.

Wer die Sky Road entlang fährt, hat immer wieder freien Blick auf den Atlantik

Zurück auf der N59 geht es nordöstlich in Richtung Connemara National Park. Hier, knappe 15 Kilometer entfernt von Clifden, liegen uns rund 3000 Hektar nahezu unberührter Natur zu Füßen. Ein schmaler Holzsteg leitet den Weg durch goldbraune Gräser. Umgeben von Moor- und Heidelandschaften erblicken wir unsere ständigen Begleiter in der Ferne: die Gipfel der Twelve Bens. Die beste Aussicht des Parks verspricht der Diamond Hill. Doch wir machen kehrt. Dunkelgraue Wolkenberge am Horizont verheißen nichts Gutes.

Connemara National Park: Ein schmaler Holzsteg führt durch die goldbraune Gräserlandschaft

Unweit des National Parks findet sich mit Kylemore Abbey auch schon das nächste Highlight. Wie ein Schloss aus alten Märchenfilmen steht es da – am Fuße eines grünen Berghangs, direkt hinter einem See. Dem Erbauer, Mitchell Henry, brachte dieses Märchenschloss leider kein Glück. Also verkaufte er das Haus, das heute zu den meistfotografierten Gebäuden des Landes gehört. Seit 1920 wird Kylemore Abbey von einem Klosterorden genutzt. Zum Gelände gehört auch der berühmte „Walled Garden". Wer den und das Schlossinnere sehen will, muss jedoch bereit sein, rund 12 Euro Eintritt zu zahlen.

Kylemore Abbey ist eines der meistfotografierten Gebäude Irlands

Doolough Pass: Auf den Spuren einer irischen Tragödie

Auf dem Weg nach Westport verlassen wir die N59 und fahren über die R335 durch Doolough Valley. Das von Bergen umringte Tal ist von atemberaubender Schönheit – und doch birgt diese Gegend ein dunkles Geheimnis. Um genau zu sein, ist es der Doolough-See inmitten des Tals, an dem sich im Jahr 1849 ein trauriges Stück irischer Geschichte ereignete. Es war während der großen irischen Hungersnot, als dort unzählige Tote – darunter viele Frauen und Kinder – gefunden worden. Von mehr als 400 Leichen ist in einigen Überlieferungen die Rede.

Wie es dazu kommen konnte? Angeblich mussten diese Menschen damals von Louisburgh nach Delphi Lodge laufen, um sich ihr Anrecht auf Hungerhilfe behördlich bestätigen zu lassen. Der lange Fußmarsch bei eisiger Kälte kostete die ausgehungerte Gruppe das Leben. Am Doolough erinnert heute ein Mahnmal an diese Trägödie.

Wir lassen Doolough Valley hinter uns.

Westport – das "Venedig des Westens"

Vom Doolough Valley führt uns die Reiseroute in das beschauliche Städtchen Westport. Historisch gesehen ist dieser Ort besonders, weil er zu den wenigen irischen Städten gehört, die sozusagen am Reißbrett entworfen wurden. James Wyatt – einer der führenden englischen Architekten des 18. Jahrhunderts – erhielt damals den Auftrag, eine Stadt für die Siedler zu entwerfen. Also ließ er den Fluss Carrowbeg kanalisieren und das Ufer mit Bäumen und Stadthäusern im georgianischen Stil säumen. Das idyllische Flair der Kanal-Allee hat Westport den Namen als irisches "Venedig des Westens" eingebracht.

Für uns ist dieses "Venedig des Westens" die letzte Etappe eines kurzen, aber eindrucksvollen Irland-Roadtrips. Im Hotelzimmer angekommen, den Kopf voller Eindrücke, ist die Verlockung groß, todmüde ins Hotelbett zu fallen. In Westport sollte man dieser Versuchung aber keinesfalls nachgeben, ohne vorher im "Matt Malloy's" gewesen zu sein. Der Pub ist für seine allabendliche Live-Musik berüchtigt. Also raffen wir uns auf, bestellen zwei Irish Stout und folgenden dem Klang irischer Folk-Musik. Im hinteren Teil der Bar entdecken wir die Musiker – sie sitzen versteckt in einer dunklen Ecke, mitten unter den Gästen. Während das Publikum gebannt zuhört und -schaut, fideln die vier Männer geradezu beiläufig auf ihren Instrumenten – als wäre es das Natürlichste der Welt. Auch wir lauschen, nippen zufrieden an unserem Stout und genießen dieses Gefühl, das man wohl auf einer jeden Reise sucht – das Gefühl, nicht nur dabei, sondern mittendrin zu sein.

Ihr wollt wissen, wie wir gefahren sind? Dann guckt euch die Karte links an. Ihr wollt noch mehr Blogbeiträge zu Irland lesen? Dann schaut doch mal bei diesen Bloggern vorbei:

Globusliebe: Connemara – Irlands wilder Westen

Travel on Toast: Irland (Teil 1) – Grüne Insel mit Burgen, Cliffs of Moher & Eseln

Findinghummingbirds: "Irland – meine drei liebsten Reiserouten"

Bravebird: "Wild, Rauh, Irland"

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