Cambridge kennt so ziemlich jeder – vor allem die berühmte Elite-Uni. Große Wissenschaftler wie Darwin, Newton und Hawkin haben hier studiert. Die bezaubernde Kleinstadt im Südosten Englands atmet den Geist der großen Denker bis heute.

Kamerabehange Touristen, die den bunten Fähnchen und spitzen Schirmchen ihrer Reiseführer hinterherhecheln, verursachen schnell mal feinstes Fremdschämen. Da lobt man sich doch die englischen Kleinstädte: Von Heerscharen asiatischer Touristen werden die nämlich im seltensten Fall überrannt. Auch Cambridge wirkt in den frühen Morgenstunden auf den ersten Blick wie eines dieser idyllischen Nester: Schmale Gassen, Kopfsteinpflaster, urige Pubs, hippe Cafés und überhaupt ist hier alles "very British". Eigentlich die perfekte Kulisse für Szenerien aus Harry Potter oder The Tudors. Umso näher man dem Stadtkern kommt, desto deutlicher wird jedoch: Die Idylle der ruhigen englischen Kleinstadt trügt. Cambridge ist ein echter Touristenmagnet. Auf nur 120.000 Einwohner kommen hier jedes Jahr rund fünf Millionen Besucher. Über junge Japanerinnen, die für den perfekten Urlaubsschnappschuss die Lippen in Richtung Kamera schürzen, wundert sich hier niemand mehr.
Tatsächlich scheint man die zahlreichen Touristen in Cambridge mit einer geradezu gleichgültigen Gelassenheit zu nehmen. Anders als in Amsterdam verfallen Einheimische hier nicht in hitziges Fluchen, wenn eine Reisegruppe mal wieder die Straße blockiert. Vielleicht liegt es an der jahrhundertelangen Erfahrung mit "den Ausländern". Für den Bau der Colleges wurden im 15. Jahrhundert ganze Stadtviertel dem Erdboden gleichgemacht. Seither hat sich die Universität zur Kaderschmiede der Elite entwickelt. Heute leben in Cambridge rund 18.000 Studenten – und nur die wenigsten kommen von hier, viele noch nicht einmal aus Großbritannien. Der Status als Elite-Universität bringt es nun mal so mit sich, dass brilliante Köpfchen aller Kontinente aufeinandertreffen. Hier, rund 80 Kilometer nördlich von London, haben Berühmtheiten wie Charles Darwin, Isaac Newton und Stephen Hawkins studiert – und bis heute hat es keine andere Universität geschafft, mehr Nobelpreisträger hervorzubringen als die University of Cambridge.
Ein Freilichtmuseum mit vielen verschlossenen Räumen
Nicht weniger beeindruckend als die Namensliste der ehemaligen Studenten sind die ehrwürdigen Universitätsgemäuer selbst. Das King's College zum Beispiel – nur eines von insgesamt 31 Universitätsgebäuden – gönnt sich eine hauseigene "Kapelle". Wobei diese Bezeichnung wohl etwas mehr ist als nur eine nette Untertreibung. Um ein spätgotisches Meisterwerk mit dem höchsten Fächergewölbe der Welt als "Chapel" zu bezeichnen, bedarf es wohl schon einer gewissen Arroganz.
Genau diese Arroganz jedoch ist es, die Cambridge diesen mysteriösen Zauber verleiht. Denn auch wenn die prachtvollen Universitätsbauten dafür sorgen, dass die Stadt wie ein riesiges Freilichtmuseum wirkt, bleiben in diesem Museum so einige Räume verschlossen. Die Eingänge der Colleges werden in vielen Fällen bewacht – nicht selten von älteren Herren, die gut und gerne einem Sherlock-Holmes-Film entsprungen sein könnten. Zutritt nur für den elitären Kreis. Neugierigen Touristen bleibt da oft nur eines: die Außenansicht. Zumindest, wenn sie sich nicht in die Verlegenheit bringen wollen, beim unerlaubten Schlendern über Universitätsgelände erwischt zu werden. Wirklich ins Innere der Colleges zu gelangen, ist kaum möglich. Einige gestatten aber immerhin einen Blick in die Gärten und Höfe ihrer Elite-Schmieden – so wie das Christ’s, Clare und Pembroke College zum Beispiel.
Wenn Studenten zum Gondoliere werden
Wer einen ganz besonderen Blick auf die Stadt und seine Colleges erhaschen will, muss sich allerdings gar nicht in Diskussionen mit strikten Wachmännern begeben, sondern einfach nur eine Tour mit den sogenannten "Punts" buchen. Die langen, flachen Boote werden nicht selten von Studenten gesteuert und mit etwas Glück plaudern die englischen Gondoliere auch gerne ein bisschen aus dem Nähkästchen. Die Bootstouren auf dem Fluss Cam führen vorbei an den vielen Brücken der Stadt – darunter auch die berühmte Seufzerbrücke des St. John's College. Wer dann immer noch nicht weiß, woher der Name Cambridge stammt und weshalb das Städtchen auch als englisches Venedig bekannt ist, für den wird es in diesem Leben wohl nichts mehr mit dem Studium an der Elite-Uni.
Schlemmen und Shoppen geht natürlich trotzdem – ganz ohne Einsteinpotenzial. Im Stadtzentrum zum Beispiel. Dort gibt es nicht nur viele hübsche Läden, sondern auch den Wochenmarkt auf dem historischen Marktplatz. Im Angebot sind unter anderem frisches Gemüse, tolle Brote, Brownies und Kuchen, dessen bloßer Anblick gieriges Sabbern verursacht. Wer nicht nur im Ortskern herumspazieren möchte, für den bietet sich eine Stippvisite im Fitzwilliam Museum an – das Museum mit Englands renommiertester Kunstsammlung außerhalb von London. Ebenfalls einen Besuch wert: der Botanische Garten, der vor allem im Frühling Gärtnerherzen höher schlagen lässt.

Wer entspannt in den Tag starten will, sollte sich die Parkplatzsuche in der engen Innenstadt von Cambridge ersparen und den Wagen einfach auf einem der Park & Ride Parkplätze stehen lassen und von dort aus mit dem Bus ins Zentrum fahren.

Dank der "Punts" – der britischen Version der venezianischen Gondel – lässt sich die Stadt auf dem Wasserweg erkunden. Mit Wassersport kennen sich übrigens auch die Studenten bestens aus, denn die Rudermannschaft der Uni tritt jedes Jahr gegen den Konkurrenten Oxford an.

Einen Tag in Cambridge kann man beim Besuch in einem urigen Pub ausklingen lassen. Zum Beispiel im "The Eagle“, wo Francis Crick und James Watson 1953 die Entdeckung der DNA verkündet haben sollen. Aber aufgepasst: Viele Kneipen schließen schon um Mitternacht.

Wer hungrig ist, muss nicht zwingend ins Café. Auf dem historischen Marktplatz gibt es Montag bis Samstag zahlreiche Stände mit Leckereien, die oft sogar etwas günstiger sind als die Kuchen im Laden.